Über den Alpenhauptkamm. Der Reschenpass ist für Radler per VIA CLAUDIA sicherlich die einfachste Route. Warum soll man sich gleich zu Beginn des Alpencross mehr als nötig quälen?
Nach dem Aufwachen ein Blick aus dem Fenster des Hotelzimmers bei Landeck: draußen ist alles feucht! Aber jetzt erst einmal das Frühstücks-Buffet des Hotels anständig ausnutzen. Danach die Frage: normale Bike Klamotten oder Regensachen? Wegen der für Heute zu erwartenden vielen schweißtreibenden Anstiegsstrecken entscheide ich mich für normale Bike Klamotten.
Nach 3 km fängt es prompt an zu regnen, also doch die Regenjacke anziehen (1. Bild: Blick zurück nach Landeck). Nach weiteren 10 km wird es mir wegen der Schwitzerei unter der teuren High-Tech Regenjacke zu feucht, wieder einmal anhalten und ausziehen.
Der Weg führt ab Landeck erst rechts des Inns, dann geht es für ein paar km linksseitig auf der Straße weiter, bis dass man auf einer glitschigen Holzbrücke hinter Fließ wieder auf einer stillen Straße rechts des Inns weiterfahren darf. Dieses Spiel wiederholt sich einige Male bis man mit dem Bike an der Kajetansbrücke (Km 40) nur auf der Straße Richtung Martina (Schweiz) fahren kann. Die direkte Straße zum Reschenpass ist für Radfahrer verboten (und kann man m.E. wegen des brutalen LKW-Verkehrs nur radelnden Selbstmördern empfehlen).
Ab Martinsbrück (Martina) geht es dann richtig aufwärts (410 hm). Ausgerechnet jetzt verziehen sich die letzten Schatten spendenden Wolken. Die Serpentinen sind Nummeriert, so dass man den Count Down bis zum Ende dieses Aufstiegs sieht. Die Steigung ist human, der kleinste Gang wird nicht benötigt. Oben an der Norbertshöhe (Km 50) muss ich mein Handtuch aus dem Rucksack kramen um die wahnsinnigen Schweißmengen zu trocknen. Weniger wegen der Anstrengung sondern mehr wegen der brennenden Sonne. Der Bike Computer zeigt 30°C an.
Jetzt geht es wieder ein kurzes Stück hinunter nach Nauders. Hier gibt es u.a. einen großen Supermarkt: Sonnencreme, etwas Trinkbares und Schokolade stehen auf meiner Wunschliste. Ich bin nicht der einzige Biker im/am Supermarkt. Als ich wieder heraus komme ist mein Bike zwischen dem Radlständer (die dicken Reifen meines Bikes passen nun einmal in keinen Radlständer) und einem idiotisch parkenden Auto eingequetscht. Ich fluche laut. Nur tragend bekomme ich mein Bike wieder heraus.
Jetzt die letzten 100 Höhenmeter bis zum Reschensee hinauf und das wichtigste Tagesziel ist geschafft (2. Bild: Blick zurück nach Nauders). Auf halber Strecke fahre ich an zwei Biker mit einer Reifenpanne vorbei, ich hatte sie bereits am Supermarkt schon einmal gesehen und werde sie noch öfters treffen. Am Reschensee das Pflichtfoto mit dem berühmten Grauner Turm im See (3. Bild). Der Weg am See entlang ist wegen der vielen Fußgänger und Pfützen eine Tortour. Ab der Staumauer wird es endlich besser.
Auf den nun folgenden Streckenabschnitt (4. Bild: St. Valentin) habe ich mich schon seit Stunden gefreut: bis Meran geht es auf dem Vinschgau Radweg (fast) nur noch bergab. Man kann das Bike stundenlang ganz faul rollen lassen. Nach den über 100 km von heute kann ich aber nicht mehr länger auf dem Sattel sitzen und habe nur noch einen Wunsch: schnell in das nächste Hotel und unter die Dusche. In Laas fahre ich einfach ins Zentrum, stelle mein Bike vor den Schwarzen Adler ab und frage nach einem Zimmer. Ja, es ist noch ein Zimmer frei!
Während des Abendessens sitzt am Nebentisch ein Paar, das ebenfalls heute mit den Rädern über den Reschenpass gekommen ist. Sie nehmen sich für die Tour etwas mehr Zeit wie ich. Eine Weile später kommen Zwei in das Restaurant und bestellen einen Berg Spaghetti. Ich habe die Zwei doch irgendwo schon einmal gesehen? Ich spreche sie an: "ihr seit doch sicher auch Biker?" Ja, sie waren es, die mich am Supermarkt in Nauders wegen meines dort eingequetschten Bikes fluchen gehört haben! Sie sind auf dem Weg zum Gardasee. Es gab an diesem Abend viel zu erzählen. Das Essen im Schwarzen Adler war gut und die zwei Weißbier waren eigentlich zu wenig für meinen Durst.